Andacht bei Niedrigwasser

Die Apfelstädt nahe "An der Obermühle" in Wechmar im Juli 2022. So sieht es aus, wenn der Zufluss frischen Wassers allmählich versiegt.
Die Apfelstädt nahe „An der Obermühle“ in Wechmar im Juli 2022.

Noch immer offene Fragen zum Wassermanagement der Apfelstädt.

Als sich am Donnerstag, dem 30. Juni gegen 18 Uhr etwa 100 Menschen zur Andacht im Freien am Wehr der Apfelstädt nahe der Wandersleber Straße, wo der Mühlgraben abzweigt, zu einer Andacht mit Pfarrer Bernd Kramer einfanden, stand der Posaunenchor der Kirchgemeinde Wandersleben-Apfelstädt trockenen Fußes im Flussbett. Wasser, das dort noch ankommt, wird am Wehr vorbei geleitet. Es ist nicht viel. Der Mühlgraben liegt trocken. Schuhe mit dicken Sohlen reichten, trocken von einer Seite zur anderen zu kommen. Unter der Autobahnbrücke zwischen Günthersleben-Wechmar und Schwabhausen ist das sogar in Sandalen möglich. Zwischen den Steinen, die dem Flussbett ein naturnahes Aussehen geben würden, wenn genug Wasser fließen würde, sind nur größere Rinnsale.

Trockengefallene Abschnitte gab es schon immer in der Apfelstädt. Mitunter versickert das Wasser im Karst-Gestein. Für maximal ein paar Wochen. Sagen die Einheimischen. Wäre es anders, könnte es die Apfelstädtaue mit viel zusammenhängender Vegetation und geschützten Tierarten gar nicht geben. Wanderwege und Radrouten am Ufer hätten keinen Reiz, denn man wäre der prallen Sonne ausgesetzt und ein trockenes Flussbett spendet keine Kühlung.

Andacht am Wehr am westlichen Ortsrand von Apfelstädt, gehalten am 30. Juni 2022.
Andacht am Wehr der Apfelstädt im Ort Apfelstädt mit dem Posaunenchor der Kirchgemeinde Wandersleben-Apfelstädt und Pfarrer Bernd Kramer. Die Musiker konnten im Fluß stehen. Zwei Schecks zugunsten der Bürgerintiative und der Ortsgruppe des Naturschutzbundes wurden übergeben.

Doch seit Ende 2019, Anfang 2020 währt die abschnittsweise Trockenheit vom Frühsommer bis in den Herbst. Thomas Koch wohnt seit 58 Jahren in Wechmar nahe am Fluss und sagt, so trocken wie in den letzten Jahren sei die Apfelstädt noch nie gewesen. Auch die Betreiber kleiner Wasserkraftanlagen nahe Georgenthal und in Herrenhof bestätigen das. Der Mühlgraben im Ort Apfelstädt, eigentlich über einen Abzweig zu speisen, lag so lange Zeit trocken, dass die Wände zu den anliegenden Häusern Risse bekamen. Als im regenreichen Sommer 2021 der Mühlgraben wieder Wasser führte, drang durch die Risse Wasser in Keller ein. Inzwischen ist der Mühlgraben längst wieder vollkommen trocken. Vor Jahren waren Abschnitte des Baches noch aufwendig renaturiert worden.

Über die Ursachen gibt es unterschiedliche Auffassungen. Das thüringische Umweltministerium sagt, grob zusammengefasst, Versickerungen und der Klimawandel seien die wichtigsten Gründe. Die Bürgerinitiative „Lebensraum Apfelstädt“ sieht den Hauptgrund im Vorbeileiten an der Apfelstädtaue vom Einzugsgebiet aus, in dem die Talsperren „Alte Tambacher“, „Schmalwasser“ und „Ohra“ liegen, über eine bis dahin ungenutzte Fernwasserleitung nach Erfurt. Dieses Projekt mit dem Titel „Westring-Kaskade“ wurde 2020 endgültig umgesetzt und beinhaltet Stromgewinnung bei Gotha und im Erfurter Norden, das Auffüllen eines größeren Teiches anlässlich der Bundesgartenschau und die Bewässerung von Obstplantagen.

Die Bürgerinitiative sieht den Bestand einer der größeren zusammenhängenden Flussauen im Freistaat Thüringen insgesamt gefährdet. Sie wurde gegründet zu erreichen, dass in trockenen Zeiten mehr Wasser aus dem Ablass der Talsperren in den Fluss abgegeben wird und dazu auch gegebenenfalls der Zufluss in die Westring-Kaskade eingeschränkt wird. Ein schneller und breiter fließendes Gewässer würde zum einen die Sickerstellen teilweise durch den Sedimente-Transport zusetzen, zum anderen auch den Grundwasserspiegel anheben und damit den Pflanzen der Aue wieder mehr Chancen geben. Sterbende Bäume und Notfällungen entlang der Apfelstädt gab es leider schon. Das Umweltministerium argumentiert sinngemäß, die Wasserableitung in die Westring-Kaskade hätte mit dem Niedrigwasser nichts zu tun. Ursachen seien, das Teile des Flusswasser versickern und die trockenen Jahre. Auch würde ja im Winter angestautes Wasser aus den Talsperren bei Niedrigwasser im Sommer zusätzlich ins Flussbett abgegeben. Die Mindestabgabe aus den Talsperren sei für die Sommer erhöht worden.

Tag für Tag wird aus dem Speicher Wechmar Wasser in die Apfelstädt abgegeben.

Die Bürgerinitiative hat gemeinsam mit dem Angler-Verband einen Film erstellt, dem zu entnehmen ist, woher das Wasser für die Talsperren kommt. Es ist das Einzugsgebiet der Apfelstädt. Sicher tragen die Talsperren dazu bei, Extreme abzuschwächen. Aber an der Gesamtbilanz ändern sie nichts. Wird ein Teil des Wassers nicht mehr in das Flussbett gegeben, summieren sich nach einiger Zeit die Verluste. So sinngemäß die Argumentation der Bürgerinitiative. Welche Betrachtungsweise schlüssiger erscheint, mag der Leser selbst entscheiden. Den Speicher Wechmar in diesem Sommer abzulassen hilft nur kurz. Es betrifft nur die Aue unterhalb des Zuflusses aus dem Speicher und es schafft zusätzliche Probleme, wenn dieses Wasser mit seiner anderen Zusammensetzung und Temperatur dem Fischbestand schadet. Auch wird der Speicher ebenso von der Apfelstädt gespeist, soweit sie genug Wasser führt. Der Speicher soll allerdings entgegen ursprünglichen Plänen zum Rückbau ertüchtigt werden.

Die Bürgerinitiative fordert daher unverändert, die Westring-Kaskade dem jeweiligen Wasserangebot angepasst zu steuern und gegebenenfalls auch zeitweilig abzustellen.

Dieser Beitrag wurde unter In der Region abgelegt und mit , , , , verschlagwortet. Setzen Sie ein Lesezeichen auf den Permalink.